Senioren beim Testen der VR-Brille im Seniorenzentrum Waldstadt in Iserlohn

Das „fliegende“ Seniorenzentrum 

Analog zum fliegenden Klassenzimmer, lassen wir im Projekt „DiPASST“ ältere Menschen mit technischer Unterstützung durch die Welt gleiten. 

Am 6.6.24 hatten wir die Möglichkeit den Bewohnenden des Seniorenzentrums Waldstadt Iserlohn ein paar digitale Assistenzsysteme vorzustellen. Doch nicht nur das. In der Zeit von 10-12 Uhr hatten Interessierte Zeit, die Assistenzsysteme auch selbst auszuprobieren.  

Den Raum dafür hatten wir so präpariert, dass alle vorne auf der großen Leinwand sehen konnten, was auch die Person, die gerade eine der VR-Brillen aufhatte, sah. Dafür hatten wir die Pico Brille ausgewählt und die Person auf einen Drehstuhl gesetzt, um die 360° Sicht auch erfahrbar zu machen. Personen, die im Rollstuhl saßen, blieben einfach sitzen, denn die Drehung um die eigene Achse war hier so möglich. Zwei weitere Drehstühle waren für drei Meta Quest Brillen vorbereitet, so dass drei Personen gleichzeitig VR erleben konnten, während die Wartenden den Blick auf die große Leinwand genossen. Für die Steuerung und zur Kontrolle haben wir Tablets benutzt. Auch um den Beschäftigten im Seniorenzentrum zu zeigen, dass es keine großen bzw. komplizierten Gerätschaften braucht, um den Bewohnenden dieses Erlebnis zu ermöglichen. 

Als wir unser Vorhaben einer solchen Veranstaltungen an das Seniorenzentrum herangetragen hatten, wussten wir nicht, wie und ob VR überhaupt von den älteren Menschen dort angenommen wird. Im Vorfeld haben wir uns einige Frage gestellt und um das Event bestmöglich vorzubereiten.  

Wie z.B.:  

  • Wieviel Hilfestellung und welche Art der Hilfestellung ist nötig?  
  • Würden die Testenden VR aufgeben, obwohl es zwar eine Abwechslung zum Alltag ist, aber irgendein Störfaktor sie davon abhielt, dranzubleiben?  
  • Was wären solche Störfaktoren? Wie könnte man diesen begegnen?  

Schließlich wollten wir den Personen dort, einerseits Unterhaltung bieten, anderseits aber auch die Möglichkeit zur Gemeinschaftsbildung, in dem man sich über das Gesehene austauscht und in der Gruppe evtl. auch die Steuerung der VR-Brillen erlernt. Eventuell würden durch die tiefere Immersion (virtuelle Realität) Erinnerungen an alte Urlaube wachgerufen, was dann wieder zu einem wohligen Nostalgie-Gefühl führen würde. Oder auch ein Fernweh könnte darüber gestillt werden.  

Während der Veranstaltung sahen wir uns 20-25 Interessierten gegenüber. Die Anzahl schwankte im Verlauf. An unserer Seite waren noch 3-5 Pflegekräfte, falls diese nötig geworden wären. Die Möglichkeit von „Motion Sickness“, dass jemandem schlecht von VR wird, ist uns durchaus bekannt, so dass wir hier einerseits Vorsorge tragen wollten, andererseits waren wir ja wegen der Technik vor Ort und bildeten mit den Pflegekräften ein gutes Team. Spannend für uns war es besonders, zu sehen, dass sich überwiegend Frauen für das Erlebnis mit der VR-Brille interessierten. Lediglich zu einem Drittel bestand die Gruppe aus Männern. Das hatten wir im Vorfeld gar nicht erwartet.  

Als wir zu Beginn eine kurze Einweisung ins Thema gaben, wurde uns klar, dass es noch nicht bei allen angekommen war, was die Möglichkeiten einer VR-Brille sind. Für diesen ersten Aufschlag hatten wir ein paar 360° Videos mitgenommen, durch die Personen selbst steuern konnten. Auch wenn mit der Technik Spiele möglich sind, so wollten wir den Bewohnenden erst einmal eine niedrige Einstiegshöhe bieten. Für mögliche Folgetermine probieren wir uns gerade durch ein paar Spiele mit Körpereinsatz und einfacher Steuerung, dann würden wir auch etwas zur sportlichen Betätigung im Seniorenzentrum beitragen. 

Die Videos enthielten Aufnahmen von diversen Wasserfällen, Heißluftballonfahrten über ferne Städte, Tauchgänge mit Haien und auch ein Katzenvideo. Die Teilnehmenden konnten sich selbst aussuchen, was sie sehen und erleben wollten. Auch nur die Leinwand zu betrachten, hatte die Bewohnenden schon sehr begeistert. Während der Einführung ins Thema blickten wir in erwartungsvolle und neugierige Gesichter. Größtenteils. Manche begegneten uns auch skeptisch und kritisch. Aber das war ja nur am Anfang. 

Dann ging es endlich ans Ausprobieren. Das Katzenvideo gehörte überraschenderweise nicht zu den Favoriten. Hier lagen die Wasserfälle und die Heißluftballonfahrten klar vorne. Die Stimmung schwankte zwischen begeistert, erstaunt und neugierig – wie es wäre, wenn man selbst dran wäre – und nachdenklich. Diese Skepsis liegt wohl eher im Bedenken, was die selbständige Steuerung des VR-Erlebnisses angeht, weniger an der Technik selbst.  

Am Schluss waren wir alle unheimlich glücklich und zufrieden mit dem Erlebten. Die anwesenden Pflegekräfte waren so von der Begeisterung im Raum angesteckt, dass in der Folge mindestens eine Brille angeschafft wird, um den Bewohnenden noch öfters dieses Erlebnis bieten zu können. Und auch wir wollen hier weitermachen, und wie oben schon erwähnt, vielleicht den nächsten Schritt mit Interessierten wagen und in die Welt der VR-Spiele eintauchen. Manche wollten die Brillen schon gar nicht mehr absetzen und andere haben sich durch alle vorhandenen Videos geklickt, was ebenfalls sehr dafür spricht, dass die Technik gut ankommt.  

Störfaktoren gab es so gut wie keine.  Nur werden wir zukünftig mehr Zeit ansetzen, um ausreichend Raum für Erklärungen, Fragen und Erlebnisse zu geben. Auch benötigten die Teilnehmenden eine gewisse Zeit, bis sie sich für ein Video entschieden hatten oder um sich einen Ruck zu geben, die VR-Brille doch einmal auszuprobieren. Andere stürzten sich fast auf die Videos, weil sie z.B. persönlich einmal an Orten waren, die gezeigt wurden und blühten förmlich vor unseren Augen auf.  

Fürs nächste Treffen haben wir uns den Wunsch der Teilnehmenden notiert, dass sie gern Videos aus der Region sehen würden. Oder von Dingen, die sie in ihrem Leben besucht haben. Hier ist es unsere Aufgabe Videos oder Produzenten zu finden, die historischen Einblicke in Städte oder auch Fabriken geben. Das Fernweh unter den Bewohnenden ist somit weniger groß, sie wünschen sich Punkte zum Anknüpfen und Wiedererinnern. Wir hoffen, dass wir diesem Wunsch nachkommen können und freuen uns schon sehr auf den nächsten Besuch im Seniorenzentrum Waldstadt in Iserlohn. Im Rahmen des Projektes verstehen wir uns gegenüber den Einrichtungen als Coach und Initiator, um Vorbehalte gegenüber digitalen Assistenzsystemen herabzusetzen, den Berufsalltag zu erleichtern und die Einrichtungen in die Lage zu versetzen zukünftig selbstständig mit digitalen Assistenzsysteme umgehen zu können. 

 Akteure vor Ort: Ansgar Rahmacher, Leon Sachweh, Marcel Mitas 

(Text: Anne Henter, Bilder: Slobodan Mašanović) 

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